22. August 2022

Verhandlungen führen – 5 Impulse, um klar in der Sache und trotzdem wertschätzend aufzutreten

Verhandlungen führen: Wenn es um formelle Verhandlungen – etwa um das eigene Gehalt – geht, empfinden viele von uns Angst oder zumindest großen Respekt. Gerade für die Harmoniebedürftigen unter uns schwingt bei Verhandlungen immer die Angst mit, jemanden zu enttäuschen, als „schwierig” oder zu fordernd abgestempelt zu werden.

Kein Wunder, schließlich haben vor allem viele Frauen über lange Zeit hinweg gelernt, dass es eben nicht okay ist, wenn sie Forderungen artikulieren. Umso wichtiger ist es, dass wir uns von diesen Denkmustern befreien und unsere Bedürfnisse und Wünsche klar formulieren – ohne uns dabei zu verstellen. 

Denn es geht beides: Wir können aufrichtig kommunizieren und gleichzeitig wertschätzend die Verbindung zu anderen auch durch schwierige Gesprächssituationen stärken. Dazu erfährst du in diesem Artikel fünf Impulse, die du zur schrittweisen Vorbereitung deiner nächsten Verhandlung nutzen kannst.

1. Verhandlungen führen Grundlagen: Wir können weich mit den Menschen und hart in der Sache sein 💜

Tool: Sachbezogenes Verhandeln – 4 Prinzipien

“Das Harvard Konzept” von Roger Fisher und William Ury ist zwar keine sehr neue, dafür aber eine sehr bewährte Methode zur Verhandlungsführung. Sie besteht aus vier einfachen Prinzipien, die sich auch in alltäglichen Situationen und kleinen Verhandlungen innerlich schnell abrufen und dadurch leicht anwenden lassen.

1. Prinzip: Interessen statt Positionen in den Fokus nehmen
Die Frage, die wir uns dazu innerlich stellen können, ist: Was möchte ich erreichen? Statt darauf zu beharren, zum Beispiel “auf jeden Fall 10% Erhöhung des Monatsgehalts” zu verhandeln (Position), können wir das in den Fokus nehmen, was unser Interesse ist. Zum Beispiel mehr finanzielle Mittel oder mehr Wertschätzung für die eigene Arbeit. Die eigenen Interessen können häufig auf sehr verschiedenen Wegen erreicht werden.

2. Prinzip: Menschen und Probleme trennen
Ein häufiges Missverständnis ist, dass wir, wenn wir unsere Interessen durchsetzen wollen, besonders unfreundlich sein oder die Beziehung zu den Personen riskieren müssen, mit denen wir verhandeln. Das stimmt schlicht nicht. Wir können warm mit den Menschen und trotzdem klar in der Sache sein. Wenn wir uns die Frage stellen, wie das möglich wird, eröffnen sich häufig ganz neue Routen zum Verhandeln.

3. Prinzip: Wahlmöglichkeiten entwickeln
Wir können im Gespräch verschiedene Wahlmöglichkeiten entwickeln mit dem Ziel, unsere Interessen zu verbinden. So kann eine Dynamik entstehen, die verhindert, dass wir in eine Entweder-oder-Falle tappen. Denn es gibt häufig mehr Wahlmöglichkeiten als zwei (unsere eigene und die vom Gegenüber). Die entscheidende Frage dazu lautet: Welche Optionen haben wir, um Interessen miteinander zu verbinden?

4. Prinzip: Objektive Kriterien festlegen
Vor allem, wenn es emotional wird oder die eine Seite stark auf Positionen statt Interessen verharrt, können wir uns gemeinsam auf die Suche nach objektiven Kriterien machen. Worauf können wir uns einigen? Wenn wir das festlegen, können wir auf dieser Grundlage die Suche nach Optionen einschlagen, um eine Lösung zu finden, die alle Interessen im Blick hat.

WeichHartSachbezogen
Personen auf der anderen Seite sind meine Freund*innenPersonen auf der anderen Seite sind meine Gegner*innenAlle Personen am Tisch sind Problemlöser*innen
Ziel: Einigung mit der anderen ParteiZiel: Sieg über die andere ParteiZiel: ein für alle vernünftiges und effizient erreichtes Ergebnis
Zugeständnisse werden zur Verbesserung der Beziehung gemachtZugeständnisse werden als Bedingung für die Beziehung gefordert1. Prinzip: Menschen und Probleme werden voneinander getrennt behandelt
Flexible Änderung der eigenen PositionFestes Beharren auf der eigenen Position2. Prinzip: Interessen statt Positionen stehen im Mittelpunkt
Beispiele zum sachbezogenen Verhandeln (Quelle: Darstellung beruht auf der Arbeit von Roger Fisher und William Ury in “Das Harvard Konzept)

2. Vorbereitung auf die Verhandlung – Inhaltlich: Klare Argumentation mit Verständnis für Interessen der anderen Partei

Impuls: Leitfragen zur Vorbereitung – ein Vorschlag

Mit folgenden Leitfragen kannst du Klarheit über deine Interessen gewinnen. Das kann nicht nur für die inhaltliche Vorbereitung nützlich sein, sondern zahlt auch schon auf deine mentale Souveränität ein. Denn die gewonnene Klarheit kann auch dabei helfen, Interessen und Personen innerlich zu trennen und so unterstützen, dass es dir leichter fällt, klar und gleichzeitig wertschätzend aufzutreten.

  • Spanne mit Minimal- und Maximalziel: Welche Ziele ergeben sich für die Verhandlung aus deinen Interessen?
  • Argumentation: Welche Argumente sprechen für deine Interessen? Rahmenbedingungen, Ziele der Organisation und Ziele der Person dafür nutzen
  • Welche Hindernisse könnten deinen Interessen im Weg stehen?
  • Was ist deine Alternative? (Can you walk away?)
  • Wovor hast du Angst, wenn du an die Verhandlung denkst?
  • Kennst du deine Zahlen? (z.B. Branchendurchschnitt für die Vergütung der Position)
  • Was motiviert dich, wirklich dranzubleiben? Für wen oder was verhandelst du noch? Gibt es Dinge, die größer sind, als du, die dich motivieren, dranzubleiben?

Tipp: Einfühlsamkeit nutzen, um Lösungen gemeinsam zu entwickeln.

Es kann wertvoll sein, sich in die Lage deines Gegenübers zu versetzen, um statt Positionen Lösungen in den Fokus zu nehmen und gegebenenfalls schon anbieten zu können. Fragen dafür könnten zum Beispiel Folgende sein:

  • Welche allgemeinen Rahmenbedingungen gibt es? (Budget-Prozesse, Weiterbildungsplanung, wirtschaftliche Gesamtsituation etc.)
  • Welche Interessen hat die Organisation? (Strategische Ziele, Initiativen wie Wachstum in einem Bereich, Digitalisierungsprojekte, Frauen in Führungspositionen etc.)
  • Welche Interessen hat die Person, mit der du verhandelst? (Ziele eurer Abteilung, Projekte, persönliche Interessen oder Positionierung etc.)
  • Mit diesem Verständnis kannst du deinen Beitrag dazu herausarbeiten. Tipp: Du verhandelst für die Zukunft, deshalb darf der Fokus auf der Zukunft liegen (statt der Vergangenheit oder dem Vergleich mit anderen).
  • Allgemeine Rahmenbedingungen: Wie kannst du sie berücksichtigen? (insbes. Timing, Person, Rahmen, aber auch ggf. Einbauen in Argumentation)
  • Interessen der Organisation: Wie passen sie zu deinen Interessen? (z.B. Leistest du zukünftig Beitrag X zu Ziel Y oder zahlt die Weiterbildung Z wie folgt auf Ziel A ein.)
  • Interessen der Person: Wie passen sie zu deinen Interessen? (häufig eher implizit interessant, z.B. weil die Person sich intern einsetzt für Projekte oder auch von deiner guten Arbeit entlastet wird und dich halten möchte.
Verhandlungen vorbereiten und führen als Frau
Verhandlungen vorbereiten und führen als Frau

3. Vorbereitung auf die Verhandlung – mental: Innere Einstimmung durch Antizipation

Tool: Mentale Kontrastierung – dich vorab in die Situation “woopen”

Die sogenannte WOOP-Methode von Gabriele Oettingen lässt sich gut zur mentalen Einstimmung nutzen. Das “Woopen” dauert ca. 5-10 Minuten und lässt sich überall und jederzeit zu jeder Situation durchführen.

1. Wish (Wunsch): Formuliere deinen Wunsch für die Situation

2. Outcome (Ergebnis): Male das optimale Ergebnis aus

3. Obstacle (Hindernis): Stelle dir das größte Hindernis vor auf dem Weg dahin

4. Plan (Plan): Mache einen Plan, was du tun wirst, wenn das Hindernis auftritt

4. Während der Verandlung: Die eigenen Interessen nicht aus dem Blick verlieren

Sachbezogen verhandeln: Hart in der Sache, weich mit den Menschen

Während der Verhandlung kannst du dich an innerlichen und auch äußerlichen Eckpfeilern orientieren. Zum Beispiel in deinen Notizen könntest du dir diese Orientierungspunkte visuell fürs Auge leicht auffindbar bereitlegen und mit folgenden Erinnerungsboxen arbeiten:

  • Deine Interessen: Die Klarheit über deine Interessen aus der Vorbereitung nutzen. Fokus auf die Lösung legen.
  • Sachbezogenes Verhandeln: Du kannst hart/klar in der Sache und weich/warm mit den Menschen sein.
  • Haltung: Ihr seid alle Lösungsentwickler*innen am Tisch. Ihr seid alle wertvoll. Du darfst Vertrauen haben, dass ihr eine Lösung finden werdet (auch wenn es Zeit braucht).
  • Mindset-Tipp: Liberation never goes one way. Wenn du für deine Interessen einstehst, bereitest du den Weg für andere.

Tipp: Formulierungen – ein paar Ideen ✌🏻

Manchmal können es kleine Formulierungen sein, die einen großen Unterschied machen. Ein paar Tipps für Gesprächssituationen, die uns mit unseren Teilnehmerinnen in der Academy häufig begegnen:

  • Wenn er*sie dir zustimmt, es aber nicht in seiner*ihrer Entscheidung liegt, ist schon ein wichtiger Schritt zu einer ersten Lösung getan. Du könntest dort anknüpfen und dranbleiben, indem du zum Beispiel sagst: “Wollen wir gemeinsam überlegen, was [die dritte Partei] überzeugen würde?” oder “Was brauchen Sie/du von mir?” oder “Was kann ich tun, um dabei zu helfen?”
  • Wenn er*sie dir im Prinzip zustimmt, aber es “zur Zeit” einfach nicht geht: “Wann könnten wir das Gespräch dann wieder aufnehmen?” oder “Sollen wir in der kommenden Woche / Monat dazu noch mal sprechen?”
  • Wenn er*sie Bedenken hat: Nachfragen, verstehen wollen: “Was genau ist es?” “Was bräuchten Sie/du, um die Meinung zu ändern?”

Tipp: Keine Sorge vor dem ersten Nein

Häufig auch unbewusst blockiert uns die Angst vor einem “Nein”. Wir möchten nicht zurückgewiesen werden und fragen deswegen gar nicht erst. Das ist verständlich, denn Zurückweisung fühlt sich schlicht nicht gut an. Das allerdings kann sich ändern, wenn wir ihre Bedeutung für uns anders definieren. Zum Beispiel wie folgt:

  • Für viele Dinge, die (dir) wichtig sind, braucht es viele “Neins”. Beispielsweise viele Absagen bis die eine Zusage zu einem tollen Job kommt oder viele Gespräche, bis das Unternehmen davon überzeugt ist, Jobsharing als Arbeitsmodell mal zu testen.
  • Ein Nein hast du ohnehin schon, wenn du nicht fragst.
  • Ein Nein im Hier-und-Jetzt ist kein Nein für immer.
  • Themen anzusprechen, deine Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren, ist wichtig für eure Zusammenarbeit und die Entwicklung – als Einzelperson und als Gruppe. So lernen Menschen dich besser kennen, auch wenn sie etwas (im Moment) anders sehen.
  • Verhandlungsprozesse sind in der Regel eben Prozesse – und es kann ganz normal sein, dass sie sich über mehrere Gespräche erstrecken.

Verhandlungen führen – 5 tipps von Vera Strauch
Verhandlungen führen – 5 tipps von Vera Strauch

5. Nachbereitung: Verbindlichkeit sicherstellen

Ist die Verhandlung oder ein Teil der Verhandlung abgeschlossen, kann es sehr empfehlenswert sein, dranzubleiben. Schon am Ende des Gesprächs kannst du anbieten, eine kurze E-Mail mit einer Zusammenfassung zu schicken. So ist sichergestellt, dass die Ergebnisse kurz (Stichworte genügen häufig) festgehalten sind und wir wissen, wo wir beim nächsten Gespräch ansetzen beziehungsweise, wer welche Aufgabe zum weiteren Vorgehen übernommen hat.

Es kann am Ende eines Verhandlungsgesprächs oder kurz danach auch empfehlenswert sein, direkt einen Anschlusstermin zu vereinbaren oder festzuhalten, wer sich wann grob wieder meldet. So ist sichergestellt, dass wir das Thema nicht aus den Augen verlieren.

Tipp: Fragen für die persönliche Nachbereitung – ein Vorschlag

Auch für dich persönlich kannst du eine kurze Reflexion über die Verhandlung nutzen, um für dich zu verstehen, was richtig gut gelaufen ist (zum Beibehalten) und was du vielleicht beim nächsten Mal anders machen möchtest (zum Verändern).

  • Ziel: Was waren deine beabsichtigten Ergebnisse?
  • Ergebnis: Was waren deine tatsächlichen Ergebnisse?
  • Ursachen: Was hat diese Ergebnisse verursacht?
  • Behalten: Was wirst du beim nächsten Mal wiederholen?
  • Verändern: Was wirst du nächstes Mal anders machen?

It is by logic that we prove, but by intuition that we discover.

Henri Poincaré

Selbstwirksamkeit: Ins Handeln kommen

Mit unserer Arbeit im Female Leadership Programm begleiten wir Frauen, die Lust auf Veränderung haben, dabei, richtig etwas zu bewegen – für sich persönlich und für die Organisationen, in denen sie arbeiten.

Wir unterschätzen leicht, welches Potenzial in uns und anderen schlummert und haben häufig nachvollziehbarerweise Respekt vor den großen Herausforderungen, die vor uns liegen. In einem einzigartigen Konzept aus konkreten inhaltlichen Impulsen, inspirierendem Input und motivierender, stärkenden Kleingruppenarbeiten begleiten wir in der Academy Teilnehmerinnen in unserem Programm dabei, die eigene Selbstwirksamkeit zu erleben und aktiv Veränderung anzugehen.

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